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Kategorie: AKW-2016

Die Mandatszeit im Nahen Osten und ihre Auswirkungen

2016 wurde an ein Abkommen erinnert das vor 100 Jahren geschlossen wurde und wie kein

anderes die moderne Geschichte der Levante, also das Kerngebiet des Nahen Ostens,

geprägt hat. Die Rede ist vom Sykes-Picot (S-P) Abkommen und vielen Arabern gilt dieses

Abkommen als Urkatastrophe des Nahen Ostens. Das Abkommen polarisiert bis heute, viele

sehen in den „gefährlichen Versprechen… [des] Schicksalsjahrs 1916 … in dem Briten und

Franzosen den Nahen Osten neu ordnen … nach alter kolonialer Tradition und mit blutigen

Folgen bis heute“ (DIE ZEIT, 12. Mai 2016, S. 15) den Ursprung vieler heute präsenter aktiver

oder schwelender Konflikte. Für andere hat die Gewalt von heute nichts mit dem vor

hundert Jahren geschlossenen Abkommen zu tun, sondern geht einzig auf das Konto

aktueller Missstände und korrupter Eliten, sowie hausgemachter despotischer Regime. Der

Vortrag versucht zu zeigen, worum es bei diesem Abkommen geht, in welchen zeitlichen

Rahmen es einzuordnen ist und welche Strukturen geschaffen wurden, die eventuell heute

noch eine Rolle spielen können oder bis heute nachwirken.

Das Zusammenspiel des S-P Abkommen mit der Hussein-MacMahon Korrespondenz und der

Balfour Erklärung wird erläutert und in dem Zusammenhang die Rolle der Briten, die sich

gern als honest broker sehen, dieser Rolle in diesem Kontext aber nicht gerecht wurden.

Denn wir haben Ende 1917 ein Gebiet, das dreimal versprochen wurde. Zweimal recht vage

und einmal ziemlich konkret. Als Außenminister Balfour dem außenpolitischen Berater des

amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson von all dem erzählte, soll jener gesagt haben:

„So schaffen Sie eine Brutstätte für einen künftigen Krieg.“ Prophetische Worte wie sich

herausstellte, nur dass es nicht ein Krieg war, sondern mehrere...

Am Ende des ersten Weltkriegs wurde die Hinterlassenschaft des Osmanischen Reichs dann

konkret aufgeteilt. Dabei stellte sich das S-P Abkommen als bestimmend dar. Es galten

primär die strategischen Interessen Großbritanniens und Frankreich. Die Bedürfnisse der

Ethnien spielten keine Rolle, sondern Gebiete wurden aus machtpolitischen Erwägungen

ohne Rücksicht auf die Interessen und gewachsenen Bindungen der Bevölkerung aufgeteilt

und als Mandate der europäischen Kolonialmächte verwaltet. Libanon, Syrien, Irak,

Jordanien und Israel/Palästina sind die Kinder Englands und Frankreichs mit einer

problematischen Herkunft. Die Mandatszeit spielt eine sehr entscheidende Rolle, da in

dieser Zeit konfessionelle, demographische, ethnische Unterschiede zitiert und zementiert

wurden, die proportionale Übergewichtung der Minderheiten eingeführt wurde und die

Mandatoren nach dem altbewährten Prinzip des divide et impera herrschten. Der Vortrag

geht auf einige dieser Mechanismen im Libanon, in Syrien und im Irak ein.